Hirtenhunde und was sie ausmacht

Hirtenhunde und was sie ausmacht
Hirtenhunde und was sie ausmacht | Foto: atakaa / Depositphotos.com

Gerne wird im deutschen Sprachgebrauch von Hirtenhunden gesprochen, wenn man die Hunde meint, die den Schäfer und seine Herde begleiten bzw. mit dem Landwirt die Herden von Schafen, aber auch Kühen auf den Weiden betreut. Genau genommen gibt es aber nicht DEN Hirtenhund per se. Vielmehr müssen sie in zwei Kategorien unterteilt werden: Einerseits die Hütehunde und andererseits die Herdenschutzhunde.

Der Unterschied ist eigentlich recht einfach zu erklären: Der Hütehund, zu dem unter anderem der Border Collie und der Australian Shepard gehören, arbeitet ausschließlich auf Geheiß des Schäfers, des Hirten. Auf diese Weise kann die Herde zusammengehalten und umgeweidet bzw. als Ganzes vorwärtsgetrieben werden, ohne das auch nur ein einziges Schaf verloren geht.

Der Herdenschutzhund hingegen ist für den Schutz der Herde eigenständig verantwortlich. Ist er korrekt ausgebildet worden, bedarf es keinen Schäfer, keinen Hirten, damit er seine Arbeit macht. Schauen wir uns also an, was an beiden Hunden so Besonderes ist.

Die Crux mit der Namensgebung

Auch wenn die Unterschiede zwischen diesen Hunderassen eindeutig ist und der FCI in seinem Standard klare Beschreibungen herausgibt, werden sie alle in der FCI Gruppe 1 unter der Bezeichnung „Hüte-, Treib- und Hirtenhunde“ zusammengefasst. Insbesondere Hunderassen wie der Border Collie, der Australian Shepard oder belgische Schäferhunde werden immer beliebter.

Kein Wunder, denn sie sind neben ihrem ursprünglichen Einsatzbereich auch sehr gut geeignet, um ein Leben als Familienhund oder als Hund mit einem Hang zum Hundesport zu führen. Immer mehr Menschen wollen den Hund als Partner bei ihrem Hobby an ihrer Seite wissen.

Dazu ist der Hundesport sehr gut geeignet. Die Hunderassen, die man in der FCI Gruppe 1 findet, sind dem Menschen für gewöhnlich sehr zugetan und besitzen Eigenschaften, die sie sowohl als Familienhund, aber auch als „Sporthund“ prädestinieren:

  • Sie sind wissbegierig und besitzen eine sehr schnelle Auffassungsgabe.
  • Sie lieben die Zusammenarbeit mit Menschen.
  • Sie benötigen klare Ansagen, um ein Kommando korrekt ausführen zu können.
  • Sie sind ausdauernd.
  • Sie sind mutig.
  • Sie benötigen für die Ausbildung Konsequenz.
  • Sie wollen Familienanschluss.

So weit, so gut. Schauen wir uns nun aber die Hunderassen an, die unter dem Begriff „Herdenschutzhund“ in der gleichen FCI Gruppe geführt werden. Hierzu gehören etwa der Kuvasz, der Kangal, der Maremmano-Abruzzen-Schäferhund, der Owtscharka (unterschiedlicher Herkunft) oder der Pyrenäische Berghund. Schauen wir uns ihre ursprüngliche Aufgabe an, werden wir feststellen, dass sie eigenständig die Herde vor Tieren, auch vor Bären und Wölfen, verteidigen sollten. Sie waren somit ein fester Bestandteil der Herde, die teils tage- oder wochenlang in den Bergen allein gelassen wurden. Sie mussten nicht nur für den Schutz der Tiere sorgen, sondern sich auch selber versorgen. Damit sind sie mit den folgenden Eigenschaften ausgestattet:

  • Sie sind körperlich und geistig stark und ausgeglichen.
  • Sie sind groß gewachsen.
  • Sie sind extrem eigenständig und können sehr dickköpfig sein.
  • Um ihnen etwas beizubringen, bedarf es eines besonderen Wissens, das genau auf ihren Charakter abzielt.
  • Sie sind nicht sonderlich umgänglich.
  • Der Kontakt zum Menschen ist ihnen geläufig, aber wird nicht zwingend eingefordert.
  • Sie benötigen viel Zeit im Freien, um ihr „Revier“ zu beaufsichtigen.
  • Die Regeln des Menschen müssen sie überzeugen.

Für alle Hirtenhunde gilt gleichermaßen, dass sie, bedingt durch ihre Arbeit mit anderen Tieren, eine hohe Reizschwelle besitzen. Auf der anderen Seite aber verfügen sie über ein großes Misstrauen Fremden gegenüber. Für sie ist jeder fremde Mensch, jedes fremde Tier eine Gefahrenquelle. So besitzen sie unterschiedliche Fähigkeiten, sich dem potenziellen Angreifer zu stellen.

Von einer einfachen Drohgebärde, über das Knurren und Bellen bis hin zum körperlichen Angriff stehen ihnen einige Möglichkeiten zur Verfügung. Je nach Situation entscheiden sie in Sekundenschnelle, welche Form der Verteidigung in diesem Moment am sinnvollsten ist.

Leider werden die Begrifflichkeiten „Hirtenhund“, „Hütehund“ und „Herdenschutzhund“ immer wieder gerne in einen Topf geworfen. Dabei sieht man anhand der obigen Beschreibung schnell, dass sie vollkommen anders geartet sind. Denn eines haben sie doch gemein: Ihre ursprüngliche Aufgabe liegt ihnen immer noch sehr im Blut. Daher ist es wichtig, dass man ihnen ein Zuhause bietet, dass ihrem Potenzial und damit ihren Bedürfnissen vollkommen entspricht.

Was wollen Hirtenhunde?

Egal, mit welcher Hunderasse wir es in dieser Gruppe zu tun haben, müssen wir doch unbedingt wissen, dass es sich hierbei um Arbeitshunde handelt. Sie sind für einen bestimmten Zweck gezüchtet worden. Können sie dieser Aufgabe nicht nachkommen, sollte man ihnen Alternativen anbieten, sodass sie ihr Potenzial dennoch voll entfalten können.

Da die Herdentiere, meist Schafe, aber oftmals auch Rinder, mitunter auch wehrhaft sein können, müssen die Hirtenhunde nicht nur flink, sondern auch kräftig und robust sein. Der Tritt eines Huftieres kann sehr stark schmerzen. Damit keine dauerhaften Verletzungen entstehen, muss der Hund auch sehr umsichtig sein. Denn nur so kann er flink und geschmeidig den Hufen der Herdentiere ausweichen. Einige Hunderassen arbeiten mit Gesten und der Stimme, also Gebell. Andere hingegen arbeiten stumm, aber dafür mit ausgeprägter Körpersprache.

Nehmen wir die Border Collies und Australian Shepards als Beispiel. Sie sollen die Herde auf ruhige, aber deutliche Art zusammentreiben und in die gewünschte Richtung schicken. Natürlich kann nicht jeder Besitzer ihnen diese Möglichkeit bieten. Doch gibt es verschiedene Hundesportarten, bei denen sie entsprechend körperlich und geistig ausgelastet werden können.

So ist es nicht verwunderlich, dass sie etwa beim Agility oder beim Dogdancing eine sehr gute Figur machen. Bei diesen Hundesportarten arbeiten sie eng mit dem Menschen zusammen, wie sie es ursprünglich gewohnt sind.

Ihr Intellekt wird ebenso angesprochen wie ihre Wendigkeit, ihre Ausdauer und ihre Schnelligkeit. Alles in allem kann man viele Optionen finden, um einen Hüte- und Treibhund auch ohne Herde gut zu beschäftigen und auszulasten.

Bei den Herdenschutzhunden sieht es da schon ganz anders aus. Sie brauchen etwas, das sie beschützen können. Ein gut überschaubares Revier, vielleicht ein erhöhter Liegeplatz, von dem aus man alles im Blick hat – und schon sind sie weitestgehend zufriedengestellt.

Wer sich einen Hund wünscht, mit dem er lange Spaziergänge absolvieren oder zum Hundesport gehen kann, wird mit dem Herdenschutzhund nicht unbedingt glücklich. Denn die meisten sind keine großen Spaziergänger. Dafür aber sind sie gute Bewacher. Ein guter Ausbilder kann sie zu einem hervorragenden Schutz- und Wachhund ausbilden.

ABER ACHTUNG: Auch mit einem gut ausgebildeten Hund muss man umgehen können. Sie brauchen klare Ansagen und müssen ganz genau wissen, wer ihr „Herr und Meister“ ist. Sonst kann das schnell schiefgehen.

Um einem Herdenschutzhund ein gutes Zuhause bieten zu können, sollte man ihre Eigenarten, aber auch ihr ursprüngliches Wesen ganz genau kennen und wissen, worauf man sich bei ihnen einlässt.

Aus dem Leben eines Herdenschutzhundes

Um einen Herdenschutzhund richtig zu verstehen, muss man wissen, wie sein Leben ursprünglich angedacht gewesen ist. Ein Herdenschutzhund, dessen Mutterhündin noch dem wahren Leben dieser Hunde nachgeht, wird in den Wintermonaten, im Stall, mitten in der Herde, die sie betreut, geboren. Meist handelt es sich hierbei um Schafe. Sie werden am häufigsten von Herdenschutzhunden bewacht.

Warum die Hunde in die Herde hineingeboren werden? Auf diese Weise lernt der Hund nicht nur vom ersten Tag an die Schafe, also seine Schutzbefohlenen, kennen. Er wird direkt zu einem Teil der Herde. Für die Schafe ist es also so selbstverständlich wie für ihn selber, dass er zu einem Beschützer heranwächst.

Tag und Nacht, Woche für Woche und so weiter wird er mit dieser Herde, mit diesen Tieren verbringen. Sie sind seine Familie. Von den älteren Hunden der Herde wird er das nötige Rüstzeug lernen, um die Herde effektiv und unter allen Umständen beschützen zu können. DIES ist die Bestimmung eines Herdenschutzhundes.

Ein Hirtenhund in "seinem Element"
Ein Hirtenhund in “seinem Element” | Foto: robertbradley / Depositphotos.com

Ein Herdenschutzhund ohne Herde

Der Hirtenhund, egal ob er die Herde schützen oder treiben soll, ist also, wenn es ganz genau definieren möchte, ein Arbeitstier. Für diese Aufgabe ist er seit langem gezüchtet worden. Kein Wunder also, dass er genau dieser Aufgabe nachgehen möchte. Sind wir aber ehrlich, werden viel zu viele Hunde dieser Rassen gezüchtet, als dass sie in der heutigen Welt alle noch eine adäquate Aufgabe erhalten könnten.

Immer weniger Landwirte setzen Hunde auf ihren Höfen ein, um Herden zu schützen oder zu treiben. Das große Interesse an diesen Hunden als Begleit- und Familienhunden jedoch ist ungebrochen.

Und genau an diesem Punkt müsste man hellhörig werden. Was nämlich passiert, wenn ein Hund, der für eine konkrete Aufgabe gezüchtet wird, dieser nicht mehr nachkommen kann? Richtig – er sucht sich selber eine Aufgabe bzw. einen Weg, wie er seine überschüssige Energie loswerden kann. Was für den Hund eine ganz normale Reaktion ist, wird sich für den Besitzer vollkommen anders darstellen.

Oftmals wird der Hirtenhund von unerfahrenen Menschen als stur, schwer erziehbar oder potenziell gefährlich bezeichnet. Dies ist allerdings nicht korrekt. Sie ticken nur anders als Hunde, die seit Jahrhunderten bereits als Gesellschafts- und Begleithunde gezüchtet werden.

Auch wenn ein Hirtenhund die menschliche Gesellschaft bis zu einem bestimmten Punkt genießt, kann es durchaus vorkommen, dass er mehr Ruhe und Eigenständigkeit für sich einfordert, als die Menschen ihm zugestehen möchten.

Ein Beispiel: Ein Herdenschutzhund wird vom Tierschutz vermittelt. Jedoch werden die neuen Besitzer nicht auf die Besonderheiten des Hundes aufmerksam gemacht. Dies passiert insbesondere dann (recht häufig), wenn aus dem Auslandstierschutz Welpen vermittelt werden. Welpen, bei denen man häufig nicht weiß, welche Rassezugehörigkeit sie aufweisen.

Kommt also ein Hund, der per se ein territoriales Verhalten an den Tag legen und sein „Revier“ beschützen wird, in eine Umgebung, in der sich viele Menschen, viel Verkehr zeigen, kann er dauerhaft damit beschäftigt sein, sein „Revier“ zu verteidigen. Er wird etwa zum Dauerkläffer, zum jagenden Hund am Gartenzaun und zu dem Hund, der sich über den Postboten freut, da er diesen schnell wieder vom Grundstück verjagen darf.

Richtig – natürlich reagieren nicht alle Hirtenhunde, die als Familienhund gehalten werden, auf diese Weise. Es kommt IMMER auf die Sozialisierung und die Erziehung an. Wer gut auf seinen Hund eingehen kann, wird nicht mit diesen Problemen konfrontiert. Viele sind ihr Leben lang unauffällig, andere beginnen mit zunehmendem Alter mit eigenwilligen Verhaltensweisen.

Schaffen Sie es, ein sehr gutes Verhältnis zu dem Hund aufzubauen, so können Sie durchaus das Glück haben und einen Hund an Ihrer Seite wissen, der Ihnen ganz einfach dankbar ist, bei Ihnen sein zu dürfen. Und diese Hunde sind ja bekanntlich die treuesten, die es gibt.

Hirtenhunde und Hundetrainer

Wenn Sie aber nun ein Liebhaber von Hirtenhunden sind, so sollten Sie sich für die Erziehungsphase einen Hundetrainer suchen, der sich sehr gut mit diesen Hunderassen auskennt. Warum? Nun, ohne jemandem zu nahe treten zu wollen, ist es ganz einfach so, dass man das Wesen des Hirtenhundes, des Arbeitshundes, wenn Sie so wollen, genau kennen muss, um ihn gut ausbilden zu können. Die meisten Hundetrainer aber haben während der Ausbildung diese Erfahrungen nur selten machen können.

Sie sind mit den „normalen“ Familien- und Gesellschaftshunden und ihren Eigenheiten konfrontiert worden. Damit ist ihnen das normale Verhalten eines Hirtenhundes fremd. Sie interpretieren es falsch. Die Fachleute für die Hirtenhunde sind allerdings nicht überall zu finden. Gerade im städtischen Bereich kann man diesbezüglich auf Schwierigkeiten stoßen.

Voraussetzungen, um sich einen Hirtenhund anschaffen zu können

Wir wollen nicht um den heißen Brei herumreden. Auch wenn es natürlich immer wieder einige Hunde dieser Rassen gibt, die sich auch mit einer Stadtwohnung zufriedengeben, muss man doch sagen, dass der Hirtenhund ein Hund ist, der in den ländlichen Bereich gehört. Als minimale Anforderung sollte das Haus einen Garten besitzen, sodass er sich tagsüber frei in diesem bewegen kann.

Dafür ist eine korrekte und stabile Einfriedung notwendig. Ebenso kann es sinnvoll sein, wenn es sich um eine stark frequentierte Wohngegend handelt, Sichtschutzwände anzubringen, damit der Hund nicht ständig das Gefühl hat, als würde jemand auf sein Revier zugehen und Alarm schlägt.

Fragen Sie bitte, bevor Sie sich einen Hirtenhund anschaffen bei Ihrem zuständigen Ortsamt nach, ob es sich in Ihrer Wohngegend um einen so genannten Listenhund handelt oder nicht. Die verschiedenen Bundesländer, Gemeinden gehen unterschiedlich mit diesem Thema um. Deshalb ist es wichtig, sich VORHER zu informieren, bevor Sie mit der Wahrheit konfrontiert werden.

Nein, niemand möchte Ihnen einen Hirtenhund ausreden, wenn Sie ein echter Liebhaber dieser Hunderassen sind. Doch sollten Sie sich von Anfang an darüber im Klaren sein, worauf Sie sich einlassen. Erstellen Sie am besten eine Liste mit den Pros und den Contras. Stellen Sie hinsichtlich eines versierten Hundetrainers für Hirtenhunde Erkundigungen an.

Und vor allem – seien Sie sich bewusst, dass auch Sie Ihr Packerl zu tragen haben, wenn Sie einen Hirtenhund besitzen. Wenn Sie bei all dem immer noch begeistert von diesen Hunderassen sind, dann legen Sie los. Strecken Sie die Fühler nach IHREM Hirtenhund aus. Sie werden es ganz gewiss nicht bereuen.

FAQ

🐶 Ist es sinnvoll, einen Hirtenhund in der Stadt zu halten?

Nein, die Haltung in der Stadt bringt zu viele Reize und zu wenig Bewegungsfreiheiten für einen Hirtenhund, egal wie groß er ist, mit sich. Er braucht einen Garten, in dem er sich frei verwegen kann.

🐶 Welche Hundesportarten können einen bewegungsfreudigen Hirtenhund, wie etwa den Australian Shepard, begeistern?

Verschiedene Hundesportarten kommen für diesen Hund in Frage. Agility, für die Größeren Doghopping, aber auch Dogdancing und natürlich „Arbeitshundesport“ sind eine gute Variante zum eigentlichen Arbeitsalltag des Hundes.

🐶 Besitzt der Hirtenhund einen Jagdtrieb?

Da die Hunde zum Treiben und Beschützen gezüchtet wurden, sind sie zwar in der Lage, die Herde und sich selbst optimal zu verteidigen. Ein Jagdtrieb im klassischen Sinne ist aber nicht vorhanden.

🐶 Welche Ausbildung benötigt der Hundebesitzer, um einen Hirtenhund halten zu können?

Hirtenhunde sind KEINE Anfängerhunde. Es bedarf des Hundeverstandes, Erfahrung in der Hundehaltung und möglichst auch bereits Erfahrung mit Hirtenhunden. Denn eines ist sicher: Hirtenhunde ticken anders als normale Hunde. Entsprechend muss der Hundebesitzer ebenso auf diesen Hund eingehen können, wie er es verdient. Der Hundebesitzer muss also ebenfalls in die Ausbildung, wie mit diesem Hund umzugehen ist.

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